06.02.2023 | Webmagazin 2023/01 Der lang ersehnte Wegweiser zur netzdienlichen Flexibilitätsnutzung im Niederspannungsnetz?

Eckpunktepapier der BNetzA zur Ausgestaltung des § 14a EnWG Ulrich Rosen | Dr. Sören Patzack
soeren.patzack@bet-energie.de

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat unter dem Aktenzeichen BK6-22-300 am 24.11.2022 das Festlegungsverfahren zur Integration von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen und steuerbaren Netzanschlüssen nach § 14a Energiewirtschaftsgesetz gestartet und in einem Eckpunktepapier grundlegende Regelungsinhalte beschrieben. Die durchaus kontroversen, aber im Tenor meist positiven Reaktionen aus der Branche zeigen: Noch sind die seit Jahren offensichtlichen Differenzen zwischen Energiewirtschaft und Automobilisten über Art und Umfang einer Leistungsbegrenzung nicht ausgeräumt.

Fast genau zwei Jahre nach dem überraschenden Rückzug des Entwurfs für ein „Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz“ (SteuVerG) durch den damaligen Wirtschaftsminister Peter Altmaier wurden jetzt wesentliche Regelungsinhalte des damals in einem breiten Branchenkonsenz erzielten Vorschlags zu Novellierung des § 14a EnWG durch die BNetzA (sie wurde mit dem Osterpaket 2022 hierzu ermächtigt) wieder aufgegriffen. Daraus wird klar: Alle Endkunden mit Anlagen gemäß Definition im Eckpunktepapier und alle Verteilnetzbetreiber müssen verpflichtend am Mechanismus teilnehmen – eine „Opt-out-Regelung“ ist zumindest für Neuanlagen nicht vorgesehen. Und alle beteiligten Akteure müssen sich daher auf einen wahren Digitalisierungssprint im Niederspannungsnetz einstellen.

Um die Integration steuerbarer Verbrauchsanlagen zeitnah und ohne massiven Netzausbau zu ermöglichen, hat die BNetzA neben der Direktsteuerung von Wärmepumpen, nicht-öffentlichen Ladeeinrichtungen etc. (Steuerbare Verbrauchseinrichtungen – SteuVE) nun als Alternative auch die Möglichkeit von Steuerungsvorgaben für den Netzanschluss in Summe (Steuerbarer Netzanschluss – SteuNA) vorgesehen. Ein weiterer wesentlicher Regelungsinhalt besteht in der schrittweisen Ablösung des zunächst vorgesehenen statischen Steuerns durch ein dynamisches Steuern auf Basis von Echtzeit-Messwerten und Netzengpassrechnungen. Die dazu notwendigen Netzzustandsdaten und Steuerungsvorgaben werden über die sichere Kommunikationsinfrastruktur des intelligenten Messsystems (iMSys) und eine damit verbundene Steuereinrichtung bzw. ein Energiemanagementsystem erfolgen. 

Die zeitkritische Umsetzung dieser Anforderungen für Neuanlagen ab 01.01.2024 und für alle Anlagen ab 01.01.2029 bedeuten erhebliche Herausforderungen für die Verteilnetzbetreiber. Es ist essentiell, die Novelle des § 14a EnWG auch im Kontext von weiteren aktuellen Regelungen zur Steuerung über das iMSys zu sehen: dem Messstellenbetriebsgesetz (Kabinettsfassung des GNDEW vom 11.01.2023) und der BNetzA-Festlegung BK6-22-128 (Universalbestellprozess). Erst bei übergreifender Betrachtung aller Vorgaben wird klar, welche Verantwortlichkeiten und Fristigkeiten sich insbesondere für Netzbetreiber und Messstellenbetreiber ergeben, wie die prozessuale Abwicklung der Anbahnung, der Durchsetzung und der Abrechnung der Steuervorgaben erfolgen muss und wie die Backend-Systeme dazu massengeschäftstauglich erweitert werden müssen. Die Komplexität ist dabei sicher mit dem in den letzten Jahren eingeführten Redispatch-2.0-Prozess zu vergleichen, der die gesamte Branche und alle beteiligten Akteure noch immer vor größere Hürden stellt.

Die beteiligten Behörden, Verbände und Regelsetzer haben im Detail noch Regelungslücken zu schließen und Prozesse praxistauglicher auszugestalten. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass hier nicht singulär auf das Lastmanagement im Niederspannungsnetz gemäß § 14a EnWG geschaut wird, sondern die gesetzlichen und systemtechnischen Regelungen anschlussfähig sind zu „benachbarten“ markt- und netzseitigen Anwendungsfällen mit Steuerungsbedarf wie bspw. Redispatch 2.0/3.0, Direktvermarktung EEG oder Regelenergiebereitstellung. Nur so können Synergien für eine hochsichere Mess- und Steuerungsinfrastruktur für alle Marktteilnehmer und deren Geschäftsmodelle entstehen.

Auf die endgültigen Festlegungen sollten Netzbetreiber und Messstellenbetreiber aber nicht warten. Dringend erforderlich sind Praxiserfahrungen zum Steuern über den CLS-Proxy-Kanal des iMSys (Stichwort CLS-Management) und zur Verarbeitung von Netzzustandsdaten aus dem Niederspannungsnetz (Stichwort Netzengpassmanagement) sowie die funktionale Integration der neuen Anforderungen in ein vorhandenes Netzleitsystem. Der Startschuss für die Digitalisierung der Niederspannungsnetze ist spätestens jetzt gefallen.


Zurück zu Webmagazin