Von etwa 2010 bis 2016 gab es ein deutliches Wachstum der Biogas- und Biomethanproduktion in Deutschland, das in den darauffolgenden Jahren auf ein Plateau gefallen ist.
BMP Greengas leitete im Mai 2023 ein Verfahren ein, das darauf hindeutete, dass das Unternehmen insolvent sein könnte. Dies wurde im August dieses Jahres bestätigt. Gleichzeitig wurden im ersten Halbjahr 2023 zwei der größten Biogas-/Biomethanproduzenten in Deutschland, WELTEC* und die Deutsche Agrar Holding (DAH), zum Verkauf an Investoren angeboten, während E.ON den Biomethan-Produktbereich von WINGAS im Jahr 2019 erwarb und die BayWa r.e. Bioenergy GmbH im Jahr 2022 an Macquarie verkauft wurde.
Die Marktbewegungen der Vergangenheit und die aktuellen Entwicklungen bei drei großen Biogas-/Biomethanunternehmen senden somit widersprüchliche Signale und werfen die Frage auf, wie der aktuelle Zustand und die Zukunft des Biogas- und Biomethanmarktes in Deutschland zu bewerten sind.
Positive Signale und Entwicklungen
Auf der Makroebene hat der Krieg in der Ukraine und das Ziel der EU, sich von russischem Gas unaghängig zu machen, die Verwendung von Biomethan als Ersatzstoff unterstützt (z.B. der Biomethan-Aktionsplan und die Biomethan-Industriepartnerschaft). Darüber hinaus sendet der kürzlich veröffentlichte Entwurf der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) III (1) durch die Beibehaltung der Doppelanrechnung für fortschrittliche Biokraftstoffe positive Signale für den Biomethanmarkt im Verkehrssektor. Des Weiteren wurden die Ziele der RED II für den Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor und das Unterquotenziel für fortschrittliche Biokraftstoffe und erneuerbare Kraftstoffe nichtbiologischen Ursprungs (RFNBOs) deutlich angehoben, wie die folgende Grafik zeigt. Das erhöhte Ziel der RED III wird voraussichtlich die Preise für THG-Quoten in Deutschland und damit auch die Preise für fortschrittliche Biokraftstoffe und somit auch für Biomethan** in die Höhe treiben. Darüber hinaus ist in Deutschland ein (wenn auch langsames) Wachstum der Anzahl von Bio-CNG/LNG-Tankstellen zu beobachten. Szenarien prognostizieren ein Marktwachstum für LNG und CNG für schwere LKW bis 2035-2040, mit einem Rückgang danach, und ein anhaltendes Wachstum für LNG bis 2050 für Schiffe (Binnenschifffahrt).
Ein weiteres positives Signal für Biomethan im Bereich der Erzeugung (Wärme und Strom) ist das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das ab 2024 für neue Heizungsanlagen einen Anteil von 65% erneuerbarer Energien vorschreibt und das ab 2029 Ziele für die Nutzung von Biogas/Biomethan festlegt. Damit könnte die Nachfrage nach Biomethan im Wärmesektor deutlich steigen, wie die folgende Grafik zeigt.
Auch auf industrieller Ebene hat Biomethan das Potenzial, Erdgas in industriellen Hochtemperaturprozessen direkt zu ersetzen. Damit entfallen alle zusätzlichen Investitionen, die mit einer Umstellung auf (grünen) Wasserstoff (oder andere Energieträger) verbunden sind.
Bei der Analyse des Potenzials von Biomethan in allen Sektoren prognostiziert der Europäische Zehnjahresnetzentwicklungsplan (TYNDP) 2022 in allen Szenarien einen starken Anstieg der Biomethannachfrage sowohl in der EU als auch in Deutschland, wie nachfolgend dargestellt.
Vergleicht man schließlich den Produktionspreis von Biomethan mit dem von grünem Wasserstoff und synthetischem Erdgas, so bleiben die prognostizierten Produktionskosten unter denen der substituierten Energieträger. So sind beispielsweise die Produktions- und Transportkosten von grünem Wasserstoff derzeit deutlich höher als die von Biomethan. Selbst wenn der Transport über ein zukünftiges europäisches Wasserstoffnetz erfolgt, werden die Kosten für grünen Wasserstoff (2) voraussichtlich mindestens bis 2030-2035 über den Kosten für Biomethan liegen. Somit hat Biomethan einen klaren Kostenvorteil gegenüber anderen Energieträgern, was ein positives Zeichen für seine zukünftige Nachfrageentwicklung ist.
Negative Signale und Entwicklungen
Um noch einmal auf die RED II/RED III zurückzukommen: Es gibt zwei Entwicklungen, die im Hinblick auf den Markt für Biomethan für den Verkehr Anlass zur Sorge geben.
Erstens ist seit Anfang 2023 ein signifikanter Preisverfall auf dem Markt für THG-Quoten in Deutschland zu beobachten - von ~425 €/tCO2eq auf rund ~250 €/tCO2eq (ab der 20. Woche des Jahres bis zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels). Dieser Preisrückgang ist darauf zurückzuführen, dass Deutschland braunes Fett im Januar 2023 als fortschrittlichen Biokraftstoff** einstufte, obwohl es braunes Fett eine Woche nach dieser Einstufung wieder von der Nabisy-Liste strich. Diese Korrektur war jedoch nur redaktioneler Art und führte zu einer fortgesetzten Doppelzählung von braunem Fett. Diese Einstufung hat zu erheblichen zusätzlichen Importen von braunem Fett geführt, was die Preise für THG-Quoten gedrückt hat, da die THG-Quote für schätzungsweise 200 €/tCO2eq erfüllt werden kann, d.h. unter dem aktuellen Preis von ~250 €/tCO2eq. Es bleiben Fragen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung des Biomethanmarktes offen, da er in hohem Maße von den sich ständig ändernden rechtlichen Rahmenbedingungen sowohl auf EU- als auch auf deutscher Ebene abhängt.
Zweitens: Aufgrund der zunehmenden Elektrifizierung des Verkehrsmarktes und der dreifachen Anrechnung von THG-Quotenzertifikaten aus der Elektromobilität wird erwartet, dass sich die langfristige Nachfrage nach Biomethan im Verkehrssektor auf die Verwendung in schweren Lastkraftwagen und Schiffen für die Binnenschifffahrt beschränken wird.
Im Erzeugungssektor wird der erwartete langfristige Rückgang der Preise für grünen Wasserstoff (ab 2030/2035) eine Herausforderung für Biomethan in der Nutzung von Wärme in Privathaushalten und Industrie (z.B. für Fernwärmenetze) darstellen. Auch die zunehmende Elektrifizierung der Wärmeversorgung (z.B. Wärmepumpen und elektrische Heizkessel) und der zunehmende Ausbau von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien (also mehr Ökostrom) werden die Verwendung von Biomethan und anderen Energieträgern für die Wärmeversorgung von Privathaushalten vor große Herausforderungen stellen.
Die entscheidende Begrenzung des zukünftigen Biomethanpotenzial liegt auf der Erzeugungsseite in den Versorgungsengpässen. Die Schätzungen für Deutschland liegen zwischen 25-40 TWh für 2030 und 70-100 TWh im Jahr 2050. Darüber hinaus werden die Umweltvorteile von Biogas/Biomethan weiterhin kontrovers diskutiert, insbesondere im Hinblick auf die Emissionen, die beim Transport der Substrate zu den anerobischen Fermentern entstehen. Mit der zunehmenden Verwendung von Hühnermist (und anderen tierischen Exkrementen) für die Produktion von Biomethan (um die Anforderungen von Anhang IX Teil A der RED II zu erfüllen) wurde auch Kritik laut, die die Nachhaltigkeit der Verwendung von Mist für die Biomethanproduktion in Frage stellt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Landwirte in der Vergangenheit entweder für die Entsorgung von Gülle bezahlt oder sie kostenlos abgegeben haben. Heute gibt es einen ganzen Markt für den Verkauf von Gülle an Biomethanproduzenten, was in gewisser Weise die Viehwirtschaft fördert, die selbst ein großer Emittent von Treibhausgasen ist. Obwohl die Nutzung von Abfallprodukten wie Gülle theoretisch nachhaltig ist und eine Kreislaufwirtschaft unterstützt, ist das gesamte Ökosystem der Massentierhaltung und die damit verbindenen Emissionen grundsätzlich nicht nachhaltig, wenn die Netto-Null-Ziele erreicht werden sollen.
Die Zukunft des Biogas-/Biomethanmarktes in Deutschland
Da sich der Biogas-/Biomethan-Sektor derzeit im Umbruch befindet, ist eine Konsolidierung (d.h. Fusionen und Übernahmen) auf große Marktteilnehmer im Gange. Nur diese sind bereit und in der Lage, das Risiko der Marktvolatilität zu tragen. Einerseits schaffen die Anwendungsfälle in den Bereichen Heizung für Privathaushalte und Industrie sowie die engeren Anwendungsfälle im Schwerlastverkehr eine Basisnachfrage, die voraussichtlich nicht verschwinden wird.
Andererseits bestehen mittel- bis langfristig Unsicherheiten hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Biomethan bestehen, insbesondere in Bezug auf die zur Produktion verwendeten Substrate und die zunehmende Konkurrenz durch andere Energieträger. Es scheint also, dass sich die Entwicklung des Biogas- und Biomethanmarktes in den Jahren bis 2030 entscheiden wird.
Entweder er etabliert sich fest als wesentlicher Bestandteil einer kohlenstoffneutralen Welt, in der grüne Moleküle ein grundlegender Baustein sind, oder er spielt weiterhin eine eher untergeordnete Rolle und es kommt zu keinem nennenswerten Wachstum des Marktes.
*BET war der führende kommerzielle Berater für eine der interessierten Parteien im M&A-Prozess von WELTEC.
**RED II Annex IX Part A konform
(1) European Parliament. (2023, September 12). Renewable Energy Directive (P9_TA(2023)0303). www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2023-0303_EN.pdf
(2) Hank, C., Holst, M., Thelen, C., Kost, C., Längle, S., Schaadt, A., & Smolinka, T. (2023). Site-specific, comparative analysis for suitable Power-to-X pathways and products in developing and emerging countries. Fraunhofer Institute for Solar Energy Systems ISE. https://files.h2-global.de/H2G_Fraunhofer-ISE_Site-specific-comparative-analysis-for-suitable-Power-to-X-pathways-and-products-in-developing-and-emerging-countries.pdf