06.02.2023 | Webmagazin 2023/01 Ein neuer Ordnungsrahmen für Erdgasverteilnetze

Wie der aktuelle Ordnungsrahmen weiterentwickelt werden muss, um den Übergang zur Klimaneutralität im Gasverteilnetz zu schaffen Ralph Kremp | Stefan Mischinger
ralph.kremp@bet-energie.de

Gasnetzbetreiber und Kommunen stehen vor großen Herausforderungen, den Übergang zur Klimaneutralität umzusetzen. Der aktuelle Ordnungsrahmen ermöglicht die Refinanzierung des Netzbetriebs nur bei Erhalt und Ausbau dieser Infrastruktur. Energiesystemstudien zeigen aber deutlich, dass es zu einem Nachfragerückgang bei Erdgas und Stilllegungen kommen muss, wenn man das Klimaneutralitätsziel erreichen will. Ein weiterentwickelter Ordnungsrahmen für diese Transformation ist dringend erforderlich.

Die Debatte darüber, ob und in welchem Ausmaß Wasserstoff auch im Wärmesektor eingesetzt wird, ist allgegenwärtig, aber nicht das drängendste Problem der Branche. Auch in Szenarien mit hohem Wasserstoffbedarf wird es zahlreiche Netzbetreiber geben, bei denen die Refinanzierung nicht sichergestellt werden kann, weil Stilllegungen zu Stranded Investments führen.

Viel wichtiger ist es daher, zeitnah einen tragbaren Rahmen für die Transformation in den Gasverteilteilnetzen zu schaffen. Dazu gehören v. a. zwei Bausteine: 

Der erste betrifft die Abschreibung von Bestandsanlagen. Eine Verkürzung der Abschreibungsdauern für Neuinvestitionen reicht nicht aus, da auch zahlreiche Ersatzinvestitionen der jüngeren Vergangenheit Abschreibungsdauern haben, die über 2045 hinausgehen. Es ist also dringend erforderlich, auch die Abschreibung von Bestandsanlagen bis 2045 zu ermöglichen. Eine degressive Abschreibung bietet eine gute Lösung für Netznutzer. Sie ermöglicht bei einem Nachfragerückgang, dass höhere Abschreibungen zu Zeitpunkten stattfinden, in denen es noch mehr Nutzer im Netz gibt. 

Der zweite wichtige Baustein ist eine Regelung zu allgemeinen Rückbauverpflichtungen bei Stilllegung in Konzessionsverträgen. Die Anerkennung der daraus resultierenden Rückbaukosten ist nicht klar geregelt. Zusammen mit vielen Stilllegungen in einigen Netzgebieten kann dies zu einer essentiellen Bedrohung der Refinanzierbarkeit werden. Ein kriterienbasierter Rückbau z. B. aufgrund negativer Umwelteinflüsse oder der Beeinträchtigung anderer Infrastrukturen ist hier die passendere Lösung.

Neben dem tragfähigen Rahmen ist es wichtig, den weiterentwickelten Ordnungsrahmen so zu gestalten, dass er Vorgaben und Anreize für effiziente Transformationspfade setzt, damit die beteiligten Akteure auf das Erreichen der Klimaziele hinwirken, selbst wenn damit ein Rückgang der eigenen Assets, Größe und Gewinne einhergeht. Eine verbindliche, medienübergreifende Infrastrukturplanung auch auf lokaler Ebene ist hier ein Schlüsselelement, das etabliert werden sollte. Die geplante bundesweite Einführung der kommunalen Wärmeplanung ist ein guter Ausgangspunkt, die aber in diesem Sinne weiterentwickelt werden muss. Gelingt es, aus den Vorgaben einer erweiterten kommunalen Wärmeplanung eine volkswirtschaftlich sinnvolle Investitionsplanung abzuleiten, ist der Abbau von Hürden bei der Umwidmung von Erdgas- zu Wasserstoffleitungen oder von Komplexitäten bei der Regulierung möglich. Dies macht die Transformation schneller und effizienter.

Nicht zuletzt ist die Perspektive der Netznutzer einzunehmen. Auch bei einer Anpassung und Optimierung des Ordnungsrahmens für Erdgasnetze werden die Netznutzungsentgelte steigen, weil sich die Kosten bei Nachfragerückgang auf immer weniger Netzkunden verteilen. Es ist zu diskutieren, bis zu welchem Punkt die steigenden Netznutzungsentgelte einen gewünschten Anreiz für den Wechsel zu klimaneutralen Alternativen darstellt und ab welchem Punkt eine staatliche Unterstützung notwendig ist, um eine soziale Absicherung im Zuge der Transformation zu gewährleisten.
 

Zukunft der Gasverteilnetze: Netzentwicklungsstrategie für das Gasnetz


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