14.12.2022 | Webmagazin Energiepolitische Entwicklungen

Ralph Kremp | Partner
ralph.kremp@bet-energie.de

Das Jahr 2022 war ein sehr intensives Jahr. Neben dem Angriffskrieg auf die Ukraine stand dabei die Energiewirtschaft in gleich mehrerlei Hinsicht im Fokus der Aufmerksamkeit. Die Reduktion und in einem zweiten Schritt das Ausbleiben russischer Erdgaslieferungen haben aufgezeigt, in welcher Importabhängigkeit sich das deutsche Energiesystem befindet. Energie hat dabei nicht nur eine geopolitische Relevanz erhalten, sondern wurde gleichzeitig eines der zentralen Elemente der nationalen Sicherheitspolitik. Während das in § 1 des EnWG angelegte versorgungswirtschaftliche Zieldreieck in den letzten Dekaden primär auf die Dimension Preisgünstigkeit ausgerichtet war, so muss gegenwärtig insbesondere über das Thema Versorgungssicherheit ausführlich diskutiert werden. Das Ziel der Nachhaltigkeit zur Erreichung der Klimaschutzziele darf dabei nicht aus den Augen verloren werden.

Die Situation auf den Energiemärkten hat sich u. a. in einem signifikanten Preisanstieg bei Strom und Gas bemerkbar gemacht. Sowohl der absolute Preisanstieg als auch die zunehmende Volatilität der Beschaffungspreise haben dabei zahlreiche Importeure und Händler vor deutliche Herausforderungen gestellt. Teilweise konnten nur durch massive staatliche Interventionen Insolvenzen vermieden werden. Politisch führte dies zu der Frage, wer für den Preisanstieg aufzukommen hat und durch wen diese Mehrkosten zu tragen sind. Hierbei ist die Frage der Bezahlbarkeit sehr eng auch mit sozialen Aspekten verbunden, wodurch eine Vielzahl von Hilfspaketen entsprechend diskutiert und implementiert wurde. Diese Preisanstiege haben jedoch auch dazu geführt, dass einzelne Marktteilnehmer profitieren konnten.

Die aktuelle Situation hat schonungslos offengelegt, dass sich das deutsche Energiesystem noch einige Jahre in einer sehr angespannten Situation befinden wird. Gesichert verfügbare Leistung muss im Gesamtsystem gesteigert werden. Des Weiteren muss sowohl aus preislichen Aspekten als auch zur Erreichung der Klimaschutzziele die Ausbaugeschwindigkeit der Erneuerbaren Energien sowie der zu deren Transport erforderlichen Netze massiv gesteigert werden. Diese Herausforderung ist dabei strukturell nicht neu. Es zeigt sich jedoch, dass hier in den letzten Jahren bereits Chancen verpasst wurden. 

Auf der Endkundenseite wird in zunehmendem Maße auch über den Wärmemarkt gesprochen. Effizienzsteigerungen durch Gebäudedämmung, Einsparungen im Verbrauch sowie neue Formen der Wärmebereitstellung durch Wärmepumpen oder grüne Fernwärme werden auch hier den Markt in den nächsten Jahren prägen. Dies führt zwangsläufig auch zu der Frage der Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells der Gasversorgung und der Zukunft der Gasnetze. Es gilt als unstrittig, dass im Gesamtsystem der Hochlauf von Wasserstoff erforderlich werden wird. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeiten erscheint jedoch zunächst dessen Einsatz im industriellen Bereich die primäre Option.

Die geschilderten Herausforderungen haben den nationalen Gesetzgeber zu umfangreichem Handeln in kürzester Zeit gezwungen. Eine Versorgungslücke Erdgas sollte dabei durch eine erzwungene Befüllung der Gasspeicher sichergestellt werden. Alternative Quellen an Erdgas sollen zudem durch den Import von Flüssiggas (LNG) erreicht werden. In Rekordzeit wurde hierzu die entsprechende Infrastruktur bereitgestellt. Sich in Reserve befindliche Kohlekraftwerke wurden in den Markt zurückgeholt und für bereits Ende 2022 zur Stilllegung vorgesehene Kernkraftwerke wurde ein zeitlich befristeter Weiterbetrieb beschlossen. Je nach Verlauf dieses Winters sowie auch der Verfügbarkeit von Erzeugungskapazitäten im benachbarten Ausland ist dabei auch wahrscheinlich, dass politisch der Einsatz der Kernenergie weiter diskutiert werden wird. 

Die durch die Krise hervorgerufenen bzw. verstärkten preislichen Verwerfungen zeigen dabei schonungslos auf, dass die Diskussion um ein neues Energiemarktdesign unabdingbar ist. Zwar sollten negative Auswirkungen für Verbraucher aufgrund der Einführung von Strom- und Gaspreisbremsen gemildert werden. Aufgrund der hierdurch außerordentlich hohen Belastung für den Staatshaushalt sind die damit verbundenen Möglichkeiten jedoch ebenfalls limitiert. Der Energy-only-Markt kommt in der heutigen Form an seine Grenzen. Die zeitnahe Integration von gesicherter Leistung sowie der Ausbau der Erneuerbaren Energien bei gleichzeitig bezahlbaren Preisen bleibt dabei die zentrale Herausforderung, die es durch die Energiepolitik zu meistern gilt.
 


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