23.06.2022 | Webmagazin 2022/03 Grüner Wasserstoff für Europa

Erste Definitionen und Regeln für die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff Sebastian Seier | Lukas Schuffelen | Svenja Borgmann
sebastian.seier@bet-energie.de

In einem lange erwarteten delegierten Rechtsakt zur Erneuerbaren-Energien-Richtlinie der EU werden erstmals Regeln für die Produktion von grünem Wasserstoff definiert. Unter anderem wird Biomasse von den erneuerbaren Energiequellen ausgenommen und ein enger Zusammenhang von Strom- und Wasserstoffproduktion gefordert.

Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen, sogenannter grüner Wasserstoff, wird unter anderem für erneuerbare Kraftstoffe und die Dekarbonisierung des Industriesektors benötigt. In der bisherigen europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Renewable Energy Directive – RED II) wird erneuerbarer Wasserstoff zwar erwähnt, aber nicht definiert. Das soll sich nun durch einen deligierten Rechtsakt der EU-Kommission, der die RED II konkretisiert, ändern.

Formal bestimmt der delegierte Rechtsakt Regeln für erneuerbare, flüssige und gasförmige Treibstoffe. Dabei wird Wasserstoff aus Elektrolyse als Basis für alle erneuerbaren Treibstoffe genannt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die in der Verordnung genannten Bestimmungen zukünftig nicht nur im Verkehrssektor, sondern grundsätzlich für die Kennzeichnung von grünem Wasserstoff gelten werden.

Die wichtigsten Grundsätze sind:

- Strom aus erneuerbaren Quellen
Mit Ausnahme von Biomasse sind alle erneuerbaren Quellen für die Stromerzeugung zulässig. Damit sichergestellt wird, dass eigens für die Wasserstoffproduktion erzeugter Grünstrom verwendet wird, müssen Stromerzeugung und H2-Produktion entweder physisch direkt oder durch Power-Purchase-Agreements (PPAs) verbunden sein.

- Nur zusätzlicher EE-Strom darf verwendet werden
Grundsätzlich darf die Errichtung der EE-Anlage, aus der der Strom bezogen wird, nicht mehr als 36 Monate vor dem Zeitpunkt der Errichtung des Elektrolyseurs liegen. Bis zum 01. Januar 2027 gilt eine Übergangsfrist, in der diese Regelung außer Kraft ist. Darüber hinaus existieren drei Ausnahmen, um Strom für die Erzeugung von grünem Wasserstoff ausschließlich aus dem öffentlichen Netz zu beziehen:

  1. Die Stromerzeugung in der Gebotszone des Elektrolyseurs erfolgte im Vorjahr zu über 90 % aus erneuerbaren Energien.
  2. Der Strompreis am Day-Ahead-Markt liegt für ein Stundenprodukt bei maximal 20 Euro pro Megawattstunde.
  3. Der Strompreis am Day-Ahead-Markt liegt für ein Stundenprodukt bei unter 0,36 mal dem Preis für eine Tonne CO2-Äquivalent (EUA).

- Gleichzeitigkeit von Stromerzeugung und Wasserstoffproduktion
Wird der Strom über ein PPA bezogen, muss er in derselben Stunde der Produktion des grünen Wasserstoffs erzeugt oder in einem eigenen Speicher gespeichert werden, der hinter demselben Netzverknüpfungspunkt angebunden ist wie der Elektrolyseur. Auch hier gilt die Übergangsfrist bis zum 01. Januar 2027. Bis dahin muss die Stromerzeugung im selben Monat wie die Wasserstoffproduktion erfolgt sein.

- Räumlicher Zusammenhang von Stromerzeugung und Wasserstoffproduktion
Wenn zwischen EE-Anlage und Elektrolyseur keine Verbindung über eine Direktleitung besteht, muss die Stromerzeugung in derselben oder einer angrenzenden Offshore-Gebotszone wie die Wasserstoffproduktion erfolgen. Benachbarte Onshore-Gebotszonen sind ebenfalls erlaubt, sofern der Strompreis in der Gebotszone der Stromerzeugung im Day-Ahead-Markt gleich hoch oder höher ist.

- Fairer Wettbewerb
Um eine Übervorteilung von grünem Strom, der für die Produktion von Wasserstoff genutzt wird, zu vermeiden, sieht die EU-Kommission vor, dass die Stromerzeugungsanlagen ab dem 01. Januar 2027 keine Förderung (z. B. EEG) erhalten dürfen.

Der delegierte Rechtsakt befand sich bis Redaktionsschluss in der Konsultation durch die Mitgliedsstaaten und soll im Herbst 2022 in Kraft treten. Energieversorger, die grünen Wasserstoff produzieren möchten, sollten bei der Planung der Anlagen und des Geschäftsmodells die Vorgaben aus dem delegierten Rechtsakt berücksichtigen. Für Investitionsprojekte in Wasserstofferzeugung hat die Ausgestaltung maßgeblichen Einfluss auf die Planung des erneuerbaren Strombezugs. Als BET bewerten wir u. a. Rückwirkungen auf die Profitabilität der verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten von Elektrolyseuren.

Mehr zum Thema Wasserstoff


Zurück zu Webmagazin