23.06.2022 | Webmagazin 2022/03 Optimierungsbedarf im Hausanschlussprozess

Netzbetreiber kämpfen mit hohen Kosten und langen Durchlaufzeiten Kevin Löer | Fiona Lecour
kevin.loeer@bet-energie.de

Schon lange ist das Optimierungspotenzial im Hausanschlussprozess vieler Netzbetreiber bekannt. Die Nullzinspolitik und der damit verbundene Boom in der Baubranche haben die Situation nochmals verschärft. Netzbetreiber kämpfen nicht nur mit einer ungewöhnlich hohen Anfrage nach neuen Netzanschlüssen, sondern auch mit hohen Preisen und langen Wartezeiten bei den Dienstleistern, insbesondere den Tiefbaufirmen. Dies führt zu hohen Kosten und langen Durchlaufzeiten und in der Folge zu verärgerten Kunden. Es besteht dringender Handlungsbedarf.

BET hat das bereits bekannte, jedoch zunehmende Problem im Hausanschlussprozess aufgenommen und eine Umfrage durchgeführt, an der sich 26 große und kleine EVUs und Netzbetreiber (im Folgenden „Unternehmen“) beteiligt haben. Neben allgemeinen Kennzahlen der Unternehmen wurden u.a. Kosten und Durchlaufzeiten für die Herstellung von Standardhausanschlüssen in den Sparten Strom, Gas, Wasser und Fernwärme abgefragt. Die Ergebnisse zeigen ein sehr heterogenes Bild. Sowohl in den Kosten als auch in den Durchlaufzeiten gibt es unabhängig von der Unternehmensgröße deutliche Unterschiede.

Hohe Tiefbaukosten treiben Hausanschlusskosten in die Höhe
Die Bandbreite der durchschnittlichen Kosten je Standardhausanschluss ist groß und erstreckt sich in den Sparten Strom, Gas und Wasser von unter 2.000 € bis über 6.000 €. Fernwärmeanschlüsse sind bei allen Unternehmen teurer als die anderen Sparten und kosten mindestens 3.000 €, bei den meisten Unternehmen mehr als 6.000 €. In allen Sparten werden die Gesamtkosten maßgeblich von den Tiefbaukosten bestimmt. Der Tiefbauanteil liegt zwischen 50 % und 80 % der Gesamtkosten. Hinzu kommt, dass die meisten EVUs und Netzbetreiber nur noch wenig Eigenleistung erbringen und dementsprechend abhängig von den Dienstleistern, insbesondere den Tiefbaufirmen sind. Bekanntlich sind die Preise der Tiefbaufirmen in den letzten Jahren massiv angestiegen. Dies spiegelt sich in den hohen Hausanschlusskosten wider.

Unterschiedliche Kostenweitergabe für Anschlussnehmer*innen nicht nachvollziehbar
Zu den großen Unterschieden in den Hausanschlusskosten kommt ein weiterer Abspekt: Die Kosten werden in den einzelnen Sparten unterschiedlich an die Anschlussnehmer*innen weitergegeben. In den regulierten Sparten Strom und Gas zahlen die Anschlussnehmer*innen lediglich einen Anschlussbeitrag, der oftmals deutlich weniger als 2.000 € beträgt und damit nur einen relativ geringen Teil der tatsächlichen Kosten deckt. Der verbleibende Anteil wird über alle Netznutzer solidarisiert und über die Netznutzungsentgelte refinanziert. In den nicht regulierten Sparten Wasser und Fernwärme hingegen zahlen die Anschlussnehmer*innen in der Regel die tatsächlich angefallenen Kosten. So zahlen die Anschlussnehmer*innen für einen Wasserhausanschluss oftmals ein Vielfaches von einem Stromhausanschluss. Dies führt zu Unverständnis.

Dauer zur Herstellung eines Hausanschlusses im Durchschnitt länger als 8 Wochen
Wird im Rahmen von Konzessionsbewerbungen in der Regel eine Herstellungsdauer für einen Standardhausanschluss von wenigen Tagen genannt, zeigt sich in der Realität ein ganz anderes Bild. Lediglich eines der 26 Unternehmen hat für den Gesamtprozess von Kundenanfrage bis zur Inbetriebnahme eine durchschnittliche Durchlaufzeit von unter einer Woche angegeben. Bei allen anderen Unternehmen liegt die Durchlaufzeit zwischen einer und mehr als 20 Wochen, im Durchschnitt bei mehr als 8 Wochen.

Lange Durchlaufzeiten sind für die Anschlussnehmer*innen besonders ärgerlich, da sich dadurch u.U. der gesamte Bau ihres Eigenheims verzögert. Da Anschlussnehmer*innen in der Regel nicht zwischen Netzbetreiber und Lieferant unterscheiden, kann sich die Kundenunzufriedenheit auch im Vertrieb bemerkbar machen, wenn das allgemeine Image leidet und die Kunden sich für einen anderen Strom- oder Gas-Lieferanten entscheiden.

Dringender Handlungsbedarf
Wie die hohen Kosten und langen Durchlaufzeiten zur Herstellung von Hausanschlüssen zeigen, besteht bei zahlreichen EVUs und Netzbetreibern ein dringender Handlungsbedarf zur Optimierung des Hausanschlussprozesses. Im Wesentlichen gilt es, die Tiefbaukosten zu reduzieren und gleichzeitig zusätzliche Kapazitäten zu sichern, um lange Wartezeiten zu vermeiden und die Durchlaufzeiten zu reduzieren. Dies könnte beispielsweise in Kooperation mit benachbarten Netzbetreibern gelingen oder im Rahmen einer Beteiligung an örtlichen Tiefbaufirmen. Zudem sollte der (Haus-)Anschlussprozess vollständig digitalisiert und sukzessive automatisiert werden, um neben den Hausanschluss-Anfragen auch die stetig zunehmende Anzahl eingehender Anschlussbegehren im Bereich EE-Anlagen, E-Ladepunkte, Wärmepumpen, etc. schneller und effizienter zu bearbeiten. In Verbindung mit einem Hausanschluss- bzw. Netzanschlussportal werden damit nicht nur die Durchlaufzeiten reduziert, sondern auch die Transparenz und in Folge die Kundenzufriedenheit erhöht.

Benötigen Sie hierbei Unterstützung? BET unterstützt Sie gerne bei der Aufnahme und Analyse der Ist-Prozesse, identifiziert Ihre Optimierungspotenziale, unterstützt bei der Auswahl geeigneter Tiefbauunternehmen, bewertet diese und definiert gemeinsam mit Ihnen die Soll-Prozesse und begleitet Sie bei der Umsetzung.


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