Der Asset-Manager sieht sich hierbei einer Vielzahl an offenen Fragen gegenüber:
- Welche Investitionen sind für den Ersatz von Betriebsmitteln erforderlich, die ihre technische Lebensdauer bereits überschritten haben, um eine Überalterung des Netzes zu vermeiden?
- Welche Investitionen sind für Netzerweiterungen notwendig, um weitere Windenergie- und große PV-Anlagen, aber auch dezentrale Prosumer mit PV, Ladeeinrichtungen oder Wärmepumpen sicher ins Netz zu integrieren?
- Wie können mit innovativen Smart-Grid-Ansätzen wie regelbaren Ortsnetztransformatoren, Erzeugungs- (RD 2.0) oder Lastmanagement (§ 14a EnWG) die Investitionen verringert werden?
- Welche Auswirkungen hat ein ggf. gesteigertes Investitionsniveau auf die Netzentgelte? Und wie lässt sich dieser Anstieg begrenzen?
Eine Netzentwicklungsstrategie muss zur Beantwortung dieser Fragestellungen auf fundierten technischen, kaufmännischen und regulatorischen Analysen aufsetzen.
Die Ersatzinvestitionen für bestehende Betriebsmittel lassen sich aus einem detaillierten Altersmengengerüst mithilfe einer Asset-Simulation ableiten, wobei insbesondere die Annahmen hinsichtlich technischer Lebensdauer sowie Ersatzkosten einzelner Assets zu diskutieren sind. Oftmals ist die Datengrundlage (insbesondere bei Freileitungen und Netzübernahmen in der Vergangenheit) lückenhaft, sodass geeignete Ansätze für eine Abschätzung der Altersverteilung einzelner Assets zu wählen sind. Es ist bei Ableitung der erforderlichen Investitionen sicherzustellen, dass durch eine Überalterung des Netzes kein gehäuftes Störungsgeschehen auftritt – die Asset-Simulationen geben deswegen Antworten darauf, bei welchen Assets ein verringertes oder erhöhtes Investitionsvolumen erforderlich ist. Insbesondere bei Freileitungen sind die Betriebskosten für Instandhaltung und Ausästen den Investitionskosten einer Verkabelung gegenüberzustellen.
Für die Ableitung der Erweiterungsinvestitionen ist eine Zielnetzplanung mithilfe von Lastflusssimulationen erforderlich, um den zukünftigen Netzausbaubedarf mithilfe des NOVA-Prinzips (Netz-Optimierung vor Verstärkung vor Ausbau) abschätzen zu können. Regionalisierte Szenarien über die zukünftige Versorgungsaufgabe inkl. der örtlichen Potenziale für EE-Großanlagen helfen hier, die zukünftigen Netzbelastungen und ggf. entstehende Netzengpässe assetscharf zu bestimmen. Meist existieren in diesem Kontext außerdem verschiedene strategische Fragestellungen, wie bspw. der Neubau/Abbau von Umspannwerken oder Schwerpunktstationen oder die Umstrukturierung von Netzbereichen, deren technische Wirksamkeit anhand von Variantenrechnungen zu bewerten ist. Zwischen den in der Zielnetzplanung abgeleiteten Erweiterungsinvestitionen und den Ersatzinvestitionen existieren naturgemäß Synergien, da bspw. noch vorhandene Freileitungsanteile in den Netzen oftmals ursächlich für spannungsbedingte Netzengpässe sind.
Abschließend wirken sich das Investitionsniveau, aber auch die zukünftig zu erwartenden vorgelagerten Netzentgelte auf die regionalen Netzentgelte aus. Zur Quantifizierung sind regulatorische Simulationen erforderlich – die Betrachtung von Kenngrößen wie der Entwicklung der Erlösobergrenze, der vorgelagerten Netzentgelte, des Energieabsatzes und des Finanzbedarfs ist essenziell, um eine auch kaufmännisch und regulatorisch sinnvolle Netzentwicklungsstrategie abzuleiten. Der ggf. identifizierte Anstieg der Netzentgelte kann durch eine Optimierung der Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen verhindert werden.
Die auf Basis der drei Analyseschritte abgeleiteten Netzentwicklungsstrategie 2030 ist somit technisch fundiert, wirtschaftlich sinnvoll und regulatorisch optimiert. Bestehende Unsicherheiten werden durch ein robustes und mit den zukünftigen Entwicklungen atmendes Zielnetz abgebildet. Und die oben angesprochenen offenen Fragen beim Asset-Manager werden deutlich reduziert – und es wird beantwortet, wie viel und in welche Assets investiert werden sollte und wie dies in die langfristige Netzentwicklungsstrategie passt.