27.06.2024 | Webmagazin 2024/03 Solarpaket I – Kommt die Energiewende nun endlich auch in der Stadt an?

Mieterstrommodelle hatten es in der Vergangenheit oft schwer - bringt die "gemeinschaftliche Gebäudeversorgung" den Durchbruch? Jörg Ottersbach | Andreas Blume
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PV boomt in Deutschland – dieser Boom soll durch das am 16.05.2024 nach langer Wartezeit in Kraft getretene Solarpaket I weiteren Antrieb bekommen.
Das Paket bringt neben verbesserten Förderbedingungen für Aufdachanlagen, Bürokratieabbau für den Betrieb von „Balkonkraftwerken“, mehr Klarheit bei der Speichernutzung und Vereinfachungen beim Netzanschlussverfahren auch eine deutlich einfachere Umsetzung von PV-Projekten auf gewerblichen und wohnlichen Objekten in Kombination mit der Möglichkeit der Beteiligung breiterer Bevölkerungsgruppen.

PV-Ausbau in Deutschland auf Kurs

Der Ausbau der Photovoltaik ist in Deutschland auf Kurs – Stand Anfang Juni waren bereits 6,2 GW der im EEG festgeschriebenen 13 GW Leistung in diesem Jahr installiert. Ein Großteil dieser Leistung  entfällt dabei auf den Zubau großer Freiflächenanlagen und die Installation von PV-Anlagen auf privaten Dächern, aber auch größere Aufdachanlagen werden vermehrt zugebaut.

Mieterstrommodelle – als Möglichkeit auch Nicht-Hauseigentümer an der Energiewende zu beteiligen – hatten es in den letzten Jahren dagegen deutlich schwerer. Hohe messtechnische Anforderungen und Aufwände für die Abrechnung sowie die Pflicht der Vermieter zur Vollversorung der Mieter, bei gleichzeitig ungewisser Beteiligungsquote der Mieter sind nur einige der Hemmnisse, die Mieterstrommodelle in der Vergangenheit unattraktiv gemacht haben.  

Balkonkraftwerke waren somit in Zeiten steigender Stromkosten die einzige Möglichkeit für Mieter, an der Energiewende zu partizipieren. Seit dem 16. Mai sind die regulatorischen Hürden für Balkonkraftwerke verringert worden und mit dem neuen Modell der „gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“ ergibt sich für Mieter und Vermieter eine echte Alternative zum Mieterstrommodell.

Mieterstrom wird einfacher, die neue „gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“ schafft neue Geschäftsmodelle

Mieterstrommodelle ermöglichen es den Mietern, sich an der Energiewende zu beteiligen, indem sie lokal erzeugte Solarenergie direkt nutzen. Dadurch lassen sich oft Kosten gegenüber dem Bezug von Strom aus dem öffentlichen Netz einsparen. Neu ist die jetzt mögliche Ausweitung der Modelle auf gewerbliche Räume, d.h. nicht nur „Wohnmieter“, sondern auch gewerbliche Mieter können nun teilnehmen, darüber hinaus können auch gewerbliche Dächer genutzt werden. Auch die vereinfachte Regelung zur Anlagenzusammenfassung ermöglicht nun eine leichtere Umsetzung, so führen PV-Anlagen auf benachbarten Gebäuden nicht mehr dazu, dass die eigene PV-Anlage größer gerechnet wird. Auf diese Weise wird der Adressatenkreis, aber auch die Flächenkulissen für derartige Projekte deutlich erweitert. Dies ist insbesondere für Gewerbebetriebe ein positives Signal, die zusätzlich als „Ankerkunden“ die Wirtschaftlichkeit derartiger Projekte absichern können. 

Neu ist das Modell der „gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“: Während beim Mieterstrommodell auch in seiner verbesserten Form die Vollversorgungspflicht, d.h. auch die Reststrombelieferung der Mieter weiterhin gilt, entfallen diese Lieferantenpflichten im Modell der „gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“ vollständig. Eine Restbelieferung ist hier somit nicht mehr nötig. Auf diese Weise ist eine unkomplizierte Weitergabe des (günstigen) PV-Stroms innerhalb des Gebäudes an die Teilnehmenden des Modells möglich. Überschüssige Mengen können regulär in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden und werden als Teileinspeisung vergütet. Ein großer Vorteil ist die weiterhin freie Lieferantenwahl der Teilnehmenden für ihren Reststrom, die oft ein Hemmnis darstellte, sowie die deutliche Verringerung des Abwicklungsaufwandes auf Seiten des Anbieters.

Einziger, wenn auch kleiner Wermutstropfen dieses Modells ist der Wegfall der zusätzlichen Förderung durch den „Mieterstromzuschlag“, der jedoch durch den deutlich geringeren Abwicklungsaufwand und die zu erwartende Akzeptanz der Mieter kompensiert wird. Es wird spannend zu beobachten sein, ob das neue Modell der „gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“ zukünftig das bislang klassische Modell des „Mieterstroms“ ablösen wird.

Neue Chancen für Versorger und Immobilienwirtschaft

Das neue Solarpaket I eröffnet neue Möglichkeiten für die Installation von PV-Anlagen im städtischen Bereich. Durch die Öffnung des Mieterstrommodells für Gewerbetreibende und die Lockerung der Regelung zur Anlagenzusammenfassung wird dieses Modell auch für Marktakteure geöffnet, die bisher davon abgesehen haben. Die „gemeinschaftliche Gebäudeversorgung“ baut Hürden bei Mietern und Vermietern ab, wodurch bislang nicht erschlossene Potenziale gehoben werden können.


Bei der Analyse und technisch-wirtschaftlichen Bewertung möglicher Geschäftsmodelle sowie bei der Umsetzung in die Praxis durch die Erstellung und Bewertung von Messkonzepten unterstützt BET gerne.  
 


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