BET Energie

09.05.2019 | 2019/02 Tatort Messstelle: Die „SoKo Messkonzept“ ermittelt

von Ulrich Rosen und Simon Kutzner
ulrich.rosen@bet-energie.de

Der Anfangsverdacht einer nicht ausreichend sachgerechten Strommengenzuordnung bei umlageprivilegierten Industrieunternehmen steht im Raum … Messung statt Schätzung ist jetzt gefragt!

Mit Inkrafttreten des Energiesammelgesetzes im Dezember 2018 sind zusätzliche Regelungen zum Messen und Schätzen in das EEG, das KWKG und die StromNEV aufgenommen worden. Bis auf wenige Ausnahmen wird eine geeichte Messung des eigenen Verbrauchs bzw. der Verbräuche Dritter gefordert, damit umlageprivilegierte Unternehmen ihren Anspruch nicht verlieren.

Wie also hat sich der Gesetzgeber die praktische Umsetzung gedacht und was muss ein Messkonzept enthalten, damit der Verteil- bzw. Übertragungsnetzbetreiber die Richtigkeit der Verbrauchsmengenzuordnungen überprüfen kann?

Eigentlich ist es ja ganz einfach: geeichte Bezugsmessung zzgl. geeichte Eigenerzeugungsmessung abzgl. geeichte Drittverbrauchsmessung gleich geeichte selbst verbrauchte Strommenge. Aber: Die Staubsauger der Reinigungsfirma, die Drucker der Leasingfirma, die Getränkeautomaten des Caterers oder die Kühlfahrzeuge der Spedition sind Drittverbräuche am Standort, die bisher im Detail nicht interessierten und bestenfalls grob abgeschätzt wurden. Hier beginnt die Arbeit der „SoKo Messkonzept“: Recherche, Observation, Befragung, Begehung und Beweissicherung.


“Profiling“  im Gesetzesdschungel.

Recherche: Für welche Aufgaben und an welchen Orten fallen mutmaßlich Stromverbräuche Dritter an? Übt der Dritte die sogenannte Betreibereigenschaft aus (trägt er das wirtschaftliche Risiko, bestimmt er die Arbeitsweise etc.)? Die so identifizierten Drittverbräuche sind standardmäßig eichrechtskonform zu messen (Ausnahmen nachstehend).


Observation: Handelt es sich bei den Drittverbräuchen um sogenannte Bagatellverbräuche? (z.B. das Laden des Laptops oder des Mobilfunktelefons eines Dritten, Frequenz, Ort, Dauer und Höhe des Verbrauchs sind hierfür ausschlaggebend) In solchen Fällen sind die Stromverbräuche dem eigenen Verbrauch des umlageprivilegierten Industrieunternehmens zuzuordnen.

Befragung: Ist eine eichrechtskonforme Messung technisch unmöglich oder mit unvertretbarem Aufwand verbunden (Steckdosen oder ganze Gebäude mit gemischter Nutzung etc.)? In solchen Fällen darf der Stromverbrauch sachgerecht und nachvollziehbar geschätzt und dem Drittverbrauch zugeordnet werden. Hierzu können Hochrechnungen aus exemplarischen Einzelmessungen, Leistungswerte und angenommene Volllaststunden sowie Sicherheitszuschläge für Toleranzabweichungen bei ungeeichter Messtechnik verwendet werden, die jeweils gemäß Worst-Case-Annahme die Drittverbräuche maximieren.

Begehung: Betreibt das umlageprivilegierte Unternehmen eine Stromerzeugungsanlage am Standort, aus dem technisch auch Dritte beliefert werden können (z. B. über einen Sammelschienenabgang)? Falls keine zeitgleiche (Lastgang-)Messung vorliegt, kommt die „gewillkürte Nachrangregelung“ zum Einsatz, d. h., von der eichrechtskonformen Erzeugungsmessung wird der gesamte Drittverbrauch zunächst abgezogen und der verbleibende Rest dem eigenen Verbrauch des Industrieunternehmens zugeordnet.

Beweissicherung: Ist die Ermittlung der Dritten zugeordneten Stromverbräuche für einen nicht sachverständigen Dritten jederzeit nachvollziehbar und überprüfbar in einem Messkonzept inkl. Zeitplan zur Nachrüstung von (aktuell noch) fehlender Messtechnik dokumentiert? Dann sollte ein finaler Abgleich mit anderen z. B. steuerlich oder abrechnungsseitig relevanten Mengenangaben erfolgen, um Widersprüche zu vermeiden …

… und vielleicht gibt es ja schon bald eine gesetzliche Neuerung zum Thema Messen und Schätzen und die „SoKo Messkonzept“ muss ihre Arbeit wiederaufnehmen?! Unsere Kommissare werden sich wortreich in Erinnerung rufen.


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