Kommende Woche wird die EU-Kommission die vorläufige Bewertung der nationalen Klimaschutzpläne vorlegen. Nach Einschätzung verschiedener Beobachter wird Deutschland ziemlich weit hinten liegen. Führt dies zu einer neuen Diskussion um einen vorgezogenen Kohleausstieg?
Die Vorschläge der Kohlekommission werden von der Bundesregierung als die Grundlage für die Verhandlungen mit den Kraftwerksbetreibern und für ein Kohleausstiegsgesetz verwendet. Natürlich gibt es von mehreren Seiten auch Forderungen nach einem früheren Ausstieg. Insofern werden die Diskussionen und die Verhandlungen um den Kohleausstieg weiter gehen. Neben den Emissionseinsparzielen spielen dabei auch die Kosten eines vorzeitigen Ausstiegs und die Versorgungssicherheit eine Rolle.
Wie schaffen wir ein neues Narrativ, das Energiewende und Klimaschutz nicht nur mit negativen Erscheinungen (Windkraftauswirkungen, drohende Versorgungsunterbrechungen, Arbeitsplatzverluste in Kohleregionen etc.) verbindet, sondern vor allem die Entwicklungspotentiale und Chancen in einer klugen und vielversprechenden Geschichte präsentiert?
In punkto positives Narrativ ist uns die Fridays-for-future-Jugend schon um Einiges voraus, weil sie – erstaunlich eng an wissenschaftlichen Fakten – die Vision einer CO2-freien Gesellschaft skizziert und vieles von dem nicht mehr glaubt, was sich nur durch die ständige Wiederholung durch Interessensgruppen in der öffentlichen Meinung etabliert hat. Wir hoffen, dass auf dem BET-Energieforum deutlich wurde, dass viele pragmatische Lösungsansätze vorliegen, die recht schnell und einfach zu einem schlüssigen Gesamtkonzept zusammengeführt werden können. Die Energiebranche sollte ihre Einflussmöglichkeiten auf die Politik wahrnehmen.
Wie viele EEG-Novellen können wir noch genießen?
Nach der Novelle ist vor der Novelle. Dieser delikate Genuss wird uns wohl oder übel noch lange erhalten bleiben. Indizien für eine radikale Neuordnung des Energie- und Erneuerbaren Rechts gibt es aus Berlin keine.
Kommt der Regionalstromhandel oder kommt er nicht?
Ganz klar: er kommt! Wenn nicht mittels Regionalnachweise, dann spätestens in den 2020er Jahren mittels Herkunftsnachweise. Regional ist das neue grün!
Was muss zuerst her: Das E-Auto oder die Ladesäule?
Stellen Sie sich vor, Sie möchten zeitgleich Ketchup und Mayonnaise aus zwei unhandlichen Quetschflaschen auf Ihren Grillteller bugsieren. Das ist ganz schön kompliziert – wann geht es los, wie viel kommt, wie schnell, wo genau landet es auf dem Teller – und wie viel Druck brauchen Sie dafür eigentlich? Sie wissen nur, dass Sie gerne beides auf dem Teller hätten. Und genauso ist es bei E-Autos und Ladesäulen.
Um den Ausbau verzahnt zu koordinieren, brauchen wir vernünftige rechtliche Rahmenbedingungen, beispielsweise durch eine Novellierung des §14 a, um Elektrofahrzeuge und Ladeinfrastruktur kosteneffizient in unser System integrieren zu können, aber auch durch Verlängerung und Ausbau der Anreizprogramme für die Ladeinfrastruktur. Und an diesen Rahmenbedingungen arbeiten wir – damit beides zeitgleich auf unserem Teller landet.
Wohin geht der elektrische Energiebedarf unter der Berücksichtigung der E-Mobilität? An wie vielen Stunden im Jahr werden wir nach dem Netzausbau unter Berücksichtigung der heutigen EEG-Erzeugung trotzdem eine Überkapazität haben (Stunde, Leistung und Jahresarbeit), und wie sieht es 2030 aus, wenn die Ausbauziele erreicht werden?
Wir haben unsere BET-Glaskugel angeworfen und eben die genauen Zahlen berechnet: 2030 werden die 6 Mio. Elektrofahrzeuge etwa 20 TWh verbrauchen, der Netzausbau hält sich in Grenzen – dank der Novellierung von §14 a EnWG, die auf einem Vorschlag der BET aus dem Barometer-Projekt beruht. Der Netzbetreiber darf in maximal 5 % des Jahres eingreifen und die Ladeleistung reduzieren; er tut dies insbesondere zwischen 18:00 und 20:00 Uhr. Davon unabhängig kann der Kunde natürlich gerne seine Flexibilität vermarkten und weitere Deckungsbeitrage erzielen; Aggregatoren sorgen dafür, dass er dann lädt, wenn der Wind weht und die Sonne scheint. Kunde zufrieden, Netz zufrieden, Markt zufrieden: Win-Win-Win-Situation.
Welchen Ratschlag gebt Ihr Geschäftsleitungen, die von "Change" reden, selbst dabei aber so agieren, als ob es um englisches Wechselgeld geht?
Organisationale Veränderung findet in Teams und auf individueller Ebene statt. Dieser Gedanke ist kein direkter Ratschlag. Aber eine Vermittlung der damit verbundenen Grundidee der „Management-of-Change-Ebenen“ hilft. Damit lässt sich deutlich machen, dass für Unternehmen im Wandel für jeden ein Umlernen notwendig ist. Die Beispiele auf dem BET-Energieforum der Stadtwerke, die es geschafft haben, sich selbst zu hinterfragen und neu aufzustellen, machen doch Mut!
Wie hat sich Beratung in der BET durch die Digitalisierung verändert – und welche Veränderungen erwarten Sie noch? Gemeint sind sowohl inhaltliche Schwerpunkte in der Beratung als auch Veränderungen in der Art und Weise, wie Beratung vollbracht wird (Einsatzzeiten vor Ort, strategische vs. operative Beratung, Beratung über Websessions etc.)?
Die Digitalisierung wird die Geschäftsfelder eines Energieversorgungsunternehmens unterschiedlich stark verändern. Auch BET prüft für sich intern die Möglichkeiten einer weiteren Digitalisierung und wird mit angepassten Beratungssätzen kundenspezifisch darauf reagieren. Das geht von der Entwicklung neuer Beratungsinhalte über den Einsatz selbst entwickelter Apps/Tools bis zur Anwendung innovativer Kommunikationstechnologien in der operativen Projektbearbeitung.
Plant BET einen Umzug in andere Räumlichkeiten?
Wir werden unser Team in Leipzig vergrößern - vielen Dank an unseren vielen treuen Kunden im Osten Deutschlands! Deshalb suchen wir derzeit tatsächlich nach größeren Büroräumen in Leipzig - haben Sie vielleicht einen Tipp für uns? Wir mögen historische Gebäude.