20.09.2021 | Webmagazin 2021/04 Wir haben die Wahl – doch welche Richtung?

Überblick über ausgewählte Aspekte zur Bundestagswahl 2021 Ralph Kremp
ralph.kremp@bet-energie.de

Der Klimaschutz ist eines der prägenden Themen des Bundestagswahlkampfs. Die aktuellen Umfragen lassen noch nicht erkennen, welche Koalition die nächste Regierung bilden wird. Damit ist immer noch offen, was auf die deutsche Energiewirtschaft vor dem Hintergrund der Energiewende und der Umsetzung des bereits verabschiedeten Klimaschutzgesetzes zukommt. Es lohnt sich daher ein Blick in die Parteiprogramme.

Maßgeblicher Treiber der energiepolitischen Ausrichtung in der nächsten Legislaturperiode ist die Umsetzung der Ziele des Klimaschutzgesetzes zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens. Bisher ist nur klar, dass die AfD als einzige Partei, die diese Ziele in Frage stellt, nicht Bestandteil der kommenden Bundesregierung sein wird. Für alle anderen aktuell im Bundestag vertretenen Parteien gilt, dass sie – abgesehen von Nuancen – die Umsetzung des 1,5°C Ziels des Pariser Klimaschutzabkommens anstreben. In dem Ziel sind sich also alle (mit Ausnahme der AfD) weitgehend einig. Doch wie bzw. mit welchen Maßnahmen und Instrumenten und in welcher zeitlichen Dringlichkeit soll dieses erreicht werden?

Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin, zieht bereits in Zweifel, dass die angestrebten Maßnahmen der Parteien ausreichend sind, die Ziele zu erfüllen. Eine abschließende Beurteilung ist sicherlich aus heutiger Sicht nur schwer möglich. Den Wähler*innen obliegt es daher, eine entsprechende Auswahl aus verschiedenen Konzeptideen zu treffen.

Die demokratischen Parteien sind sich einig, dass dem Emissionshandel und der CO2-Bepreisung wachsende Bedeutung zukommen wird. Ob und inwieweit aber die Preisbildung ausschließlich marktlich erfolgen soll oder ob zusätzliche Leitplanken – wie beispielsweise Mindestpreise je Tonne CO2 oder zusätzliche Zertifikatsreduktionen – erforderlich sind, ist umstritten. Gleiches gilt für die Frage, ob sich die CO2-Bepreisung auf sämtliche Sektoren erstrecken und in welchem Umfang ein finanzieller Ausgleich für einkommensschwache Bevölkerungsschichten erfolgen soll.

Hinsichtlich der Erneuerbaren Energien besteht weitgehend Einigkeit, die Geschwindigkeit des Ausbaus z. B. durch angepasste Planungs- und Genehmigungsverfahren zu erhöhen. Dabei ist der Konkretisierungsgrad der vorgeschlagenen Maßnahmen und der zu erreichenden Ziele höchst unterschiedlich. Unter Verweis auf Technologieoffenheit und marktliche Ansätze bleiben die Aussagen teilweise im Ungefähren.

Konsens erscheint auch in der Frage, dass aufgrund des ansteigenden CO2-Preises energiepreissenkende Maßnahmen ergriffen werden sollen. Uneinigkeit herrscht hingegen bei der Wahl geeigneter Instrumente hierfür sowie der damit verbundenen Gegenfinanzierung. Es rückt eine mögliche Abschaffung oder zumindest Absenkung der EEG-Umlage sowie teilweise eine ganzheitliche Reform von Steuern und Abgaben im Energiesektor in den Fokus.

Auch der zunehmende Einsatz von Wasserstoff als Instrument zur Dekarbonisierung wird von fast allen Parteien thematisiert. In der Ausgestaltung des Markthochlaufs sowie der Förderung von Wasserstoff unterscheiden sich die Programme jedoch. Bei der Frage nach der gewünschten Farbe des Wasserstoffs(grün, blau, türkis) spielen dabei nicht nur energiewirtschaftliche, sondern auch technologische Aspekte sowie teilweise geopolitische Fragestellungen eine große Rolle. Geht man ins Detail, so ergeben sich doch mehr Fragen als Antworten.

Bei Betrachtung der Ziele und Vorhaben scheinen alle Parteien auf den ersten Blick eine ähnliche Richtung einzuschlagen. Geht man jedoch ins Detail, so werden die Unterschiede offensichtlich. Es ist daher davon auszugehen, dass in den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen um jeden einzelnen Punkt hart gerungen wird. Auch in der kommenden Legislaturperiode wird die Umsetzung des Mammutprojekts Energiewende für zahlreiche Auseinandersetzungen sowohl im Parlament als auch zwischen den betroffenen Stakeholdern sorgen.

Betrachtet man die Perspektive der Unternehmen und möglicher Investoren, so scheitert die Umsetzung der Dekarbonisierung angesichts des aktuellen Kapitalmarktumfeldes sicherlich nicht an der grundsätzlichen Investitionsbereitschaft. Für anstehende Investitionsentscheidungen unerlässlich sind jedoch tragfähige Geschäftsmodelle und Businesspläne. Hierzu ist ein hohes Maß an Klarheit und Transparenz hinsichtlich der Rahmenbedingungen eine unerlässliche Voraussetzung. Es bleibt daher abzuwarten, ob wir nach der Wahl schlauer sein werden … 


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