Der Wachstumstrend der drei Technologien wird sich in Zukunft durch wirtschaftliche und rechtliche Anreize wie das Gebäudeenergiegesetz, Förderungen sowie technische Entwicklungen weiter beschleunigen, mit Risiken für das traditionelle EVU-Geschäft, aber auch großen Chancen für neue Geschäftsmodelle.
Die dezentralen strombasierten Technologien haben teilweise sehr unterschiedliche Effekte auf den Commodity-Vertrieb – insbesondere, wenn sie durch andere Anbieter vertrieben werden. Während sich Wärmepumpen primär negativ auf den Erdgas-Absatz auswirken, erhöhen sie ebenso wie Wallboxen den Stromabsatz. PV-Dachanlagen, insbesondere in Kombination mit Batteriespeichern wirken sich jedoch massiv auf Stromabsatz und das Verbrauchsprofil aus. Da Anbieter von PV-Anlagen und Wallboxen häufig (Rest-)Stromverträge im Produktbündel anbieten, steigt das Risiko von Kundenverlusten. Werden die drei Technologien im Sinne der Sektorkopplung beim Kunden kombiniert eingesetzt, sind die negativen Effekte auf den Commodity-Vertrieb erwartungsgemäß am größten.
Der Wettbewerb im Endkunden-Vertrieb der drei wichtigsten strombasierten Wachstumstechnologien nimmt stetig zu. Neue Player aus dem IT- und Technologiebereich mit einem deutlich aggressiveren Marktangang und einer agilen Unternehmenskultur, die teilweise unterstützt durch Wagniskapitalgeber in vor- oder nachgelagerte Wertschöpfungsstufen und sämtliche Technologien expandieren, könnten mit Komplettlösungen große Marktanteile auf vielen Wertschöpfungsstufen erobern und auch das Commodity-Geschäft der traditionellen EVU bedrohen. Lokale Handwerker werden von diesen zunehmend über Plattformen nur als Dienstleister akquiriert oder sogar vollständig integriert.
Um nicht nur die negativen Effekte zu erleiden, sondern auch von den Marktchancen zu profitieren, sollten EVU selbst in den Technologien aktiv werden. Doch welche Stellgrößen sind für die Sicherung des Geschäftserfolgs mit diesen Technologien zu beachten?
Neben Fragen zum Geschäftsmodell und dessen Umsetzung, ist zunächst das Marktpotenzial einer Technologie entscheidend:
- Reicht dieses im eigenen Marktgebiet aus, um z.B. geplante Kapazitäten auszulasten oder langfristiges Wachstum zu ermöglichen?
- Sollte der geografische Fokus eventuell erweitert werden?
- Verfügt das EVU bereits über eigene Kompetenzen und Kapazitäten, die zur Erschließung des Marktpotenzials genutzt werden können?
- Mit welcher Technologie soll welcher Marktanteil im Marktgebiet erzielt werden?
- Wie sieht der Wettbewerb vor Ort tatsächlich aus?
Der Begriff „Marktpotenzial“ ist jedoch nicht einheitlich definiert. BET unterscheidet vier Potenzialstufen:
Die Potenzialbegriffe orientieren sich an der international üblichen Systematik aus Total Addressable Market (TAM) für das technische Potenzial, Serviceable Addressable Market (SAM) für das wirtschaftliche Potenzial sowie Serviceable Obtainable Market (SOM) für das erschließbare Potenzial.
Für die o.g. Fragen ist in erster Linie das wirtschaftliche Potenzial interessant: Wie groß ist die maximale Marktnachfrage unter Berücksichtigung von technischen, zeitlichen, rechtlichen und sozio-ökonomischen Restriktionen?
Die drei wichtigsten Technologien PV-Dachanlagen inkl. Batteriespeicher, Wärmepumpen und Wallboxen sind in der Regel gebäudegebunden. Daher sind die wichtigsten Faktoren zur Ermittlung des wirtschaftlichen Potenzials die Gebäude- bzw. Siedlungsstruktur je Gemeinde im Marktgebiet. Darüber hinaus werden Faktoren wie die Sättigung mit PV-Dachanlagen, die Pkw-Dichte, die Beheizungsstruktur und der Wärmebedarf herangezogen, um das wirtschaftliche Potenzial der jeweiligen Technologie zu ermitteln.
Neben den technischen spielen auch sozioökonomische Faktoren eine wichtige Rolle. Insbesondere die Kaufkraft, aber auch weiche Faktoren wie Umweltaffinität – also die Neigung zu ökologischem Verhalten – und die soziale Schicht (Einkommen im Verhältnis zu Bildung, Wohnlage und Bebauungsstruktur) der potenziellen EDL-Kunden im Marktgebiet haben Einfluss auf die zu erwartende Marktnachfrage nach den Technologien.
BET analysiert umfangreiche Datensätze aus öffentlich zugänglichen und kommerziellen Quellen in hoher geografischer Auflösung, um das wirtschaftliche Potenzial einer Technologie zu ermitteln. Diese Daten können zudem genutzt werden, um über EDL-Geschäftsmodelle hinaus die kommunale Wärmeplanung der Kommunen im Versorgungsgebiet zu unterstützen, eine Wärmemarktstrategie zu erstellen oder die Zielnetzplanung anzugehen.
Ist das wirtschaftliche Potenzial einer Technologie ermittelt, stellt sich die Frage nach dem erschließbaren Marktpotenzial – also nach dem eigenen erzielbaren bzw. gewünschten und notwendigen Marktanteil. Dieser hängt maßgeblich von den eigenen geplanten Vertriebskapazitäten, dem Wettbewerb und dem Geschäftsmodell ab.
Auf diese Punkte werden wir in der nächsten Ausgabe unseres Webmagazin näher eingehen.
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